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Die 1923 geborene Lore Heimann aus der Sophienstraße 12 in Elberfeld konnte als Sechzehnjährige mit einem so genannten Kindertransport entkommen. Sie erinnert sich später:
Lore Gordon, geb. Heimann, im Jahr 2009 zu Besuch in Wuppertal, und als Jugendliche mit ihrer Schwester Ursula, ca. 1936. (Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal, BAS)
Eines Tages hörten wir von den Kindertransporten. Die Jüdische Gemeinde war gut informiert, und so erfuhren meine Eltern wohl davon. Ich glaube, die obere Altersgrenze lag bei sechzehn Jahren, aber vielleicht irre ich mich, vielleicht waren es auch siebzehn Jahre. Jedenfalls kam ich gerade noch in einen dieser Transporte, zusammen mit meiner damals dreizehnjährigen Schwester. Mein Vater kannte einen Ingenieur, der in England lebte, und zu dem hatte er meinen Bruder bereits im Februar 1939 in die Lehre geschickt.
Mein späterer Ehemann, Alfred Auerbach, war damals mit dem Mann befreundet, der im Oxford Committee for Refugees für die Kindertransporte verantwortlich war. „Ich brauche die Namen von möglichst vielen Kindern,“ erklärte er mir, und ich sammelte so viele Namen, wie ich nur konnte. Ich schickte ihm Fotografien der Kinder nach England, und dazu jede Menge Namen. Das Komitee in Oxford suchte dann Pflegefamilien. Da die Nazis das Judentum nicht als Religion, sondern als Rasse definierten, mussten auch alle Kinder fliehen, die entweder aus Mischehen stammten oder jüdische Vorfahren hatten. Wir alle waren für sie Juden. […]
Der Transport, mit dem wir fuhren, wurde vom Internationalen Roten Kreuz organisiert. Es gab auch Transporte, die von den Quäkern oder den Jüdischen Gemeinden unterstützt wurden, soweit ich mich erinnere. Wir mussten uns in Düsseldorf einfinden, am 27. Juni 1939, also kurz vor Ausbruch des Krieges. Wir fuhren mit dem Zug dorthin, und meine Eltern begleiteten uns. Meine Mutter hatte mir ein Dutzend Paar Seidenstrümpfe mitgegeben. Nylon gab es nicht. Sie dachte, ich würde mir dort niemals irgendetwas leisten können. Die Strümpfe hielten sehr lange. Wir durften nur einen Koffer, einen Rucksack und zehn Reichsmark mitnehmen, das war alles. Zehn Reichsmark. Ich glaube, das waren gerade einmal vierzehn Shilling. Als wir uns schließlich aus dem Zug von unseren Eltern verabschiedeten, standen sie natürlich gleich neben dem Fenster. Aber als wir abfuhren, wurden sie von den SA-Männern auf die andere Seite des Bahnsteigs gedrängt, so dass sie nicht mehr ganz nah bei uns waren. Meine Mutter konnte nicht aufhören zu weinen, für mich aber begann ein großes Abenteuer. So zumindest empfand ich es damals, mit meinen sechzehn Jahren.
An der holländischen Grenze bekamen wir von den holländischen Frauen belegte Brote, zumindest glaube ich, mich daran zu erinnern. Und sobald wir die Grenze überquert hatten, war alles ganz anders, weil die Nazis plötzlich verschwunden waren. Meine Schwester erinnert sich daran, dass wir Schokolade bekommen haben. Die war damals in Deutschland sehr knapp. Mit dem Schiff setzten wir nach Harwich über, und von dort ging es mit dem Zug weiter zur Liverpool Street Station. Ich glaube, man hatte einen Sonderzug organisiert, weil wir so viele waren. Einige der Kinder auf unserem Transport kamen aus Wuppertal. Ich erinnere mich, dass auch Hannelore Meier mit diesem Transport nach England kam. Die Liverpool Street Station war das Erste, was ich von England sah, und sie kam mir vor wie ein großes schwarzes Loch, denn damals war es noch ein sehr düsterer und schmutziger Bahnhof mit vielen Dampflokomotiven. Und eben dieses schwarze Loch, die Liverpool Street Station, war für mich England (Archiv BAS, Ordner A10.5 und H01).
Johanne Falkenstein | Margot Falkenheim | Hans-Joachim Lesser, 1924 – 1941 | Ursula Lesser, 1925 – 1941 |
Aus Lore Gordons Sammlung stammen viele Passbilder, die zur Ausstellung von Reisedokumenten für die Kindern gebraucht wurden. Nicht alle der Kinder haben überlebt. (Archiv BAS)
Dora, Siegfried und Moritz Kaplan, 1936. Während die beiden großen Geschwister mit einem Kindertransport entkommen konnten, wurden der kleine Siegfried und die Eltern Abrham und Tekla ermordet.
Auch Renate Inow aus der Brillerstraße 34, geboren 1929 in Elberfeld, wurde von ihren Eltern im Mai 1939 auf einen Kindertransport nach England geschickt. Die Eltern brachten sie bis Köln und schrieben der bereits in Schweden lebenden ältesten Schwester Grete eine letzte Postkarte aus Deutschland.
Renie Inow als Siebenjährige, 1936 | und im Jahr 2018 in London (Archiv BAS) |
Die Postkarte, die die Eltern und Renate an die Schwester in Schweden schrieben: zu erkennen sind die Spuren der Tränen der Mutter. (Archiv BAS)
In England nannte sich Renate bald „Renie“. Später erinnerte sie sich an die Reise: „Ja, bin ich erst mit `nem Zug von Köln bis Aachen, und dann hat der Zug sehr lange gestanden, ich weiß nicht wie lange, und die SA ist reingekommen, ein SA-Mann, und wir hatten nur kleine Koffer, wir durften nur kleine Koffer mitnehmen und ich glaube wir durften nur fünf Mark mitnehmen. Und der hat uns jerdem fünf Mark abgenommen, wahrscheinlich in seine Tasche getan, das weiß ich nicht. Ich habe schreckliche Angst gehabt dann. Ich habe gedacht ich, also die Verabschiedung von, zu meinen Eltern war so schwer und dann noch da zu stehen, für mich war das ganz schrecklich. Am Ende ist der Zug weitergefahren nach Hoek van Holland und dann gingen wir auf ein Schiff. Und dann fuhren wir mit dem Schiff nach England, Harridge, und mit einem Zug nach London, Liverpool-Street-Station. Und das war die Fahrt.“
Renate kam in London bei der Familie ihrer Tante unter. Auch ihr Bruder Alfred emigrierte nach England, die ältere Schwester Grete über Schweden nach Palästina.
Die Geschwister Renie und Alfred Inow, Dezember 1942. (Archiv BAS)
Die Kinder sahen ihre Eltern nicht wieder – diese wurden im Oktober 1941 mit dem ersten „Judentransport“ aus Wuppertal in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) verschleppt und kamen wenige Monate später in dem Vernichtungslager Chelmno um.
Margot und Ruth Berger im Jahr 2008 in Kopenhagen. (Archiv BAS)
Kennkarte „für Juden“ von Margot Berger. (Archiv BAS)
Im Sommer 1939 brachte der Kaufmann Alex Berger seine Töchter Margot und Ruth ebenfalls auf einen Kindertransport nach England.
Zum Abschied schenkte der Vater seiner Ältesten einen silbernen Kidduschbecher mit dem Auftrag, immer gut auf ihre Schwester aufzupassen. (Archiv Begegnungsstätte Alte Synagoge Wuppertal)
Alex Berger lebte nach der Emigration der Mädchen mit seiner Schwiegermutter Jeanette Moll und der katholischen Haushälterin Maria Kann in einer Wohnung in Elberfeld, bis er im Oktober 1941 mit dem ersten Transport der Juden aus Wuppertal in das Ghetto Litzmannstadt (Łódź) deportiert und wenige Monate später im Vernichtungslager Chełmno ermordet wurde. Von Maria Kann sind unzählige Briefe an Margot und Ruth Berger in England erhalten.
Aus Wuppertal konnten mit den Kindertransporten über 30 weitere Kinder und Jugendliche gerettet werden:
Doris Aronowitz:
Esther und Sonja Bareinski; Günther Baum; Margret Berger
Ursula Censer
Gerd Davids:
Susi Davids:
Anneliese und Doris Eichmann; Werner Frank; Mary und Rolf Glicksmann;
Eva Goldmann:
Hans Haltrecht; Ursula Heimann; Bernhard Israel
Moritz und Dora Kaplan:
Heinz Marowilsky; Hannelore Julie Meier; Heinz Johannes, Herbert und Hermann Meyer,:
Werner Michels:
Hannelore Miedzinski, Arnold Ostwald, Salomon Seide, Chaim Herbert Silberberg, Eva Anne Stern, Hans Wassermann, Rainer Fritz Wihl.